Tötet die Boten!

Den Über­brin­gern schlech­ter Nach­rich­ten geht es zuneh­mend schlech­ter. Wenn die Hans-Böck­ler-Stif­tung (PDF) oder die Fried­rich-Ebert-Stif­tung (PDF) wieder einmal Studi­en vorle­gen, die nach­wei­sen, dass die Spal­tung der Gesell­schaft in immer mehr Arme – sogar solche mit Arbeits­plät­zen – und wenige Super­rei­che unge­min­dert fort­schrei­tet, dann wird das zuneh­mend stär­ker als poli­tisch einsei­ti­ge Propa­gan­da kommen­tiert und nur am Rande oder gar nicht öffent­lich erwähnt.
Seit Jahr­zehn­ten wird die lang­sam aber stetig voran­schrei­ten­de Spal­tung der Gesell­schaft unter­sucht und doku­men­tiert. Doch wie ein Spiel­film, den man schon unzäh­li­ge Male gese­hen hat, werden die dies­be­züg­li­chen neuen Erkennt­nis­se als lang­wei­lig und unin­ter­es­sant wahr­ge­nom­men. Die Reak­tio­nen im Inter­net (häufig in den Kommen­tar­spal­ten) sind zuneh­mend gegen die Boten gerichtet.
Das Gift des Kapi­ta­lis­mus hat unsere Wahr­neh­mung bereits derart einge­schränkt, dass wir die stetig voran­schrei­ten­den Verschlech­te­run­gen als „normal“ einstu­fen und die Über­brin­ger der Tatsa­chen als noto­ri­sche Nörgler.
Die Ergeb­nis­se der Studi­en zur Armuts- und Reicht­ums­ent­wick­lung sind im Grunde leicht erklärt.

Man stelle sich einen großen Eintopf vor, den alle Bürge­rin­nen und Bürger im Laufe des Jahres fürein­an­der gekocht haben. Nennen wir ihn „Bohnen­sup­pe“ oder kurz „BSP“.
Beim Verzehr dürfen alle, die dem „Kopf“ (lat.: caput, Ursprung von „Kapi­tal“) des Staa­tes ange­hö­ren zuerst zugrei­fen. Ihr Anteil rich­tet sich nicht nach einer bestimm­ten Leis­tung, die sie für die Zube­rei­tung des Eintop­fes erbracht haben, sondern nach einem mathe­ma­ti­schen Schlüs­sel, der sich auf das Geld­ver­mö­gen bezieht, das sie aufge­häuft haben.
Den danach verblei­ben­den Rest des Eintop­fes dürfen die ande­ren, nennen wir sie „POOR“ („Perso­nen ohne ordent­li­che Rechte“) unter sich aufteilen.
Durch diese Art der Vertei­lung sind alle gezwun­gen, ihren Teil dazu beizu­tra­gen, dass der Eintopf jedes Jahr mehr wird, denn die „Köpfe“ verlan­gen jedes Jahr mehr, da ihr Anspruch aufgrund des nicht hinter­frag­ten Berech­nungs­sys­tems mit mathe­ma­ti­scher Genau­ig­keit zunimmt.
Obwohl es gelingt, jedes Jahr mehr Eintopf herzu­stel­len, reicht diese Stei­ge­rung nicht, den zusätz­li­chen Anspruch der „Köpfe“ zu bedie­nen. Der unter den POORS verteil­te Rest wird also immer klei­ner. Das führt zu immer weiter­ge­hen­den Einschrän­kun­gen bei den POORS. Wer bisher für seine Leis­tung noch 10 Löffel Eintopf pro Stunde bekom­men hat, muss sich jetzt teil­wei­se mit Ratio­nen von 2,5 Löffeln zufrie­den geben. Mengen, die irgend­wo zwischen „zum Ster­ben zuviel“ und „zum Leben zu wenig“ liegen.
Zur mikro­sko­pi­schen Beleuch­tung der Verän­de­run­gen inner­halb des System der Eintopf-Produk­ti­on und seinen Folgen, beispiels­wei­se hinsicht­lich den sich verän­dern­den Lebens­be­din­gun­gen, werden viele teuer bezahl­te Studi­en erstellt. Doch in keiner ist mir bisher ein Hinter­fra­gen des Systems begeg­net, das es den Geld­ver­mö­gen­den erlaubt, im Erst­zu­griff seinen Mitmen­schen immer mehr von deren Leis­tung wegzunehmen.

Viel­leicht wäre das eine neue Quali­tät inner­halb dieser Studi­en, die Ruf der Boten wieder verbes­sern könnte. 

8 Antworten

  1. Ich kenne keinen Menschen, der sich ein Krebs­ge­schwür wünscht. Und ich weiß, dass alle Menschen die eine Schule besucht haben, die Zinses­zins-Formel gelernt haben. – Ich bin vor eini­gen Mona­ten aus dem Ausland zurück nach Deutsch­land gekom­men, weil ich halt in meiner Spra­che besser kommu­ni­zie­ren kann. Jeden, den ich hier ange­trof­fen habe, habe ich gefragt, ob er weiß wie das Geld in den Wirt­schafts­kreis­lauf kommt. Ich habe Nieman­den gefun­den, der ein Inter­es­se an solch einem Gespräch hat.….…. Ich bin fassungs­los. – Frau Merkel hat Physik studiert, sie weiß, was eine Expo­nen­ti­al­funk­ti­on ist. Es kann also keine Dumm­heit sein, oder?

  2. Heino E. sagt:

    Von zurzeit sieben Milli­ar­den Menschen auf dieser Erde, ster­ben einhun­dert­tau­send täglich an Hunger und deren Folgen von Hunger. Obwohl täglich Tonnen von Lebens­mit­tel wegge­schmis­sen werden. Da stellt die Vertei­lungs­fra­ge auf dieser Erde, und die ist nach­weis­lich falsch

  3. Der Link Hans-Böck­ler-Stif­tung (PDF)funktioniert leider nicht. Können Sie mir bitte den Namen der Studie mitteilen?

    Freund­li­che Grüße
    Betina Döring

  4. NannyOgg07 sagt:

    @antin: nichts ande­res steht doch aber im Arti­kel, oder? Das unhin­ter­frag­te Berech­nungs­sys­tem, das die Vertei­lung regelt ist falsch und unsinnig.…

  5. antin sagt:

    So einfach ist es doch nicht. Kapi­tal ist genau das Zugriffs­recht auf den Topf, nicht mehr und nicht weni­ger. Jeder, der etwas aus dem Topf bekommt, hat Kapi­tal. Unsin­nig also, gegen das „Kapi­tal“ zu sein. Es geht um die Vertei­lung dieses Kapi­tals. Die ist falsch.

  1. 26. Juni 2012

    […] Tötet die Boten! Den Über­brin­gern schlech­ter Nach­rich­ten geht es zuneh­mend schlech­ter. Wenn die Hans-Böck­ler-Stif­tung (PDF) oder die Fried­rich-Ebert-Stif­tung (PDF) wieder einmal Studi­en vorle­gen, die nach­wei­sen, dass die Spal­tung der Gesell­schaft in immer mehr Arme – sogar solche mit Arbeits­plät­zen – und wenige Super­rei­che unge­min­dert fort­schrei­tet, dann wird das zuneh­mend stär­ker als poli­tisch einsei­ti­ge Propa­gan­da kommen­tiert und nur am Rande oder gar nicht öffent­lich erwähnt. Seit Jahr­zehn­ten wird die lang­sam aber stetig voran­schrei­ten­de Spal­tung der Gesell­schaft unter­sucht und doku­men­tiert. Doch wie ein Spiel­film, den man schon unzäh­li­ge Male gese­hen hat, werden die dies­be­züg­li­chen neuen Erkennt­nis­se als lang­wei­lig und unin­ter­es­sant wahr­ge­nom­men. Die Reak­tio­nen im Inter­net (häufig in den Kommen­tar­spal­ten) sind zuneh­mend gegen die Boten gerich­tet. Das Gift des Kapi­ta­lis­mus hat unsere Wahr­neh­mung bereits derart einge­schränkt, dass wir die stetig voran­schrei­ten­den Verschlech­te­run­gen als “normal” einstu­fen und die Über­brin­ger der Tatsa­chen als noto­ri­sche Nörg­ler. Quelle: Humane Wirtschaft […]

  2. 5. Juli 2012

    […] Tötet die Boten! • Humane Wirt­schaft. Book­mark the perma­link. « Mauer­ge­füh­le – Fahren wir noch darauf zu, oder pral­len wir schon ? […]

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