“Schluss mit der Verhätschelung der Superreichen”

Erwar­ten würde man derlei Sätze in der Presse von Poli­ti­kern des linken Lagers. Doch das ist die Über­schrift eines Beitra­ges des Multi-Milli­ar­därs Warren Buffet in der New York Times vom 15.8.2011!

In dem Text schil­dert der Super­rei­che einige inter­es­san­te Details, wie zum Beispiel die Tatsa­che, dass er letz­tes Jahr knapp 7 Millio­nen US-Dollar Einkom­mens­steu­ern bezahlt habe, was umge­rech­net einem Anteil von 17,4 % seines zu versteu­ern­den Einkom­mens entspro­chen hätte. Damit, so Warren Buffet, läge er deut­lich unter dem Wert der 20 Mitar­bei­ter in seinem Büro, deren Steu­er­satz zwischen 33 und 41 % liegen würde.

Bevor ich auf diese Berech­nung noch näher einge­he, will ich noch kurz den Tenor des Beitra­ges in der NYT zusam­men­fas­sen: Die Super­rei­chen werden nach Meinung von Warren Buffet demnach vom Staat viel zu gering belas­tet. Die Super­rei­chen würden sich nach seiner Kennt­nis bei ihren Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen in keiner Weise davon leiten lassen, wie hoch die zu zahlen­den Steu­er­sät­ze wären.

People invest to make money, and poten­ti­al taxes have never scared them off. And to those who argue that higher rates hurt job crea­ti­on, I would note that a net of nearly 40 milli­on jobs were added between 1980 and 2000. You know what’s happen­ed since then: lower tax rates and far lower job creation.

 

“Menschen inves­tie­ren, um Geld zu verdie­nen und poten­ti­ell zu bezah­len­de Steu­ern haben sie noch nie davon abge­hal­ten.  Und für dieje­ni­gen, die argu­men­tie­ren, dass höhere Steu­ern die Schaf­fung von Arbeits­plät­zen verhin­dern, weise ich auf die Schaf­fung von 40 Millio­nen zusätz­li­chen Jobs zwischen 1980 und 2000 hin. Wir alle wissen, was seit­her passier­te: gerin­ge­re Steu­er­ra­ten und viel weni­ger neue Jobs.”

Warren Buffet plädiert in dem Beitrag für eine höhere Besteue­rung der Reichen, expli­zit bei jenen, deren Einkom­men fast nur aus Kapi­tal­ein­künf­ten besteht, bei gleich­zei­ti­ger Steu­er­ent­las­tung der unte­ren Schich­ten, die sich mit Arbeit über Wasser halten müssen. Er will das Problem des staat­li­chen Haus­halts­de­fi­zits von der Einnah­men­sei­te her lösen und das nahezu ausschließ­lich unter Inan­spruch­nah­me der Superreichen.

Mein Kommen­tar dazu:

Wenn meine etwas einge­ros­te­ten Rechen­küns­te mich nicht trügen, dann lässt sich aus den Zahlen schlie­ßen, dass das zu versteu­ern­de Jahres­ein­kom­men 2010 bei Warren Buffet rund 40 Millio­nen US-Dollar waren. Die Forbes-Liste 2011 weist ihn als dritt­reichs­ten Mann der Welt mit einem Geld­ver­mö­gen von 50 Milli­ar­den! US-Dollar aus. 

Lassen wir einmal ein mögli­ches Einkom­men aus Arbeit bei Warren Buffet unbe­ach­tet und gehen bei ihm von 40 Millio­nen Dollar Einnah­men aus seinem Vermö­gen aus, dann hätte er eine Rendi­te von 0,08 % (0,8 Promil­le) einge­fah­ren! Ob er damit wohl in Fragen der Geld­an­la­ge so gefragt wäre, wie das welt­weit der Fall zu sein scheint?

Zäumen wir das Pferd anders­her­um auf: Wenn wir Warren Buffet für einen sehr auf Sicher­heit bedach­ten Geld­an­le­ger halten und er gerin­ge Rendi­ten in Kauf nimmt und deshalb ledig­lich auf eine Rendi­te von 2 % in Bezug auf sein Vermö­gen pro Jahr kommt, dann wäre das ein zu versteu­ern­des Einkom­men von 1 Milli­ar­de US-Dollar. Wenn er darauf dann 7 Millio­nen Dollar Einkom­men­steu­er bezahlt hat, liegt seine Steu­er­last­quo­te bei 0,7 % von seinem tatsäch­li­chen Einkom­men und nicht bei 17,4 %, wie er das in dem Beitrag angibt. Die Berech­nung, die heraus­kommt, wenn man von den viel wahr­schein­li­che­ren 5 oder mehr Prozent Rendi­te ausgeht, habe ich einmal versucht in nach­fol­gen­dem Diagramm, neben den laut Warren Buffet ange­ge­be­nen “realen” Werten darzu­stel­len. Die Linien stel­len die mögli­chen Steu­ern dar, welche Warren Buffet bei unter­schied­li­chen Lasten von 17,5% – rote Linie -(wie derzeit von ihm bezahlt), 36% – orange Linie – (wie im Durch­schnitt von seinen Mitar­bei­tern aus dem Arbeits­lohn bezahlt) oder 49% – grüne Linie – (wie von vielen Ameri­ka­nern sicher gerne gese­hen). Die Diskre­panz von den tatsäch­lich von ihm bezahl­ten 7 Millio­nen US-Dollar bis zu den knapp zwei Milli­ar­den US-Dollar, die bei 49%-iger Besteue­rung, ausge­hend von einer 8% Rendi­te auf sein Geld­ver­mö­gen, steht unge­fähr in einem Verhält­nis von 1:285

 

Warren Buffets Welt der Steuern 

Der Versuch, den Warren Buffet damit unter­nimmt, muss faden­schei­nig genannt werden. Doch was bewegt ihn dazu, die Super­rei­chen in ein besse­res Licht zu rücken? Derlei Über­le­gun­gen haben die Ange­hö­ri­gen der Forbes-Listen doch noch nie unter­neh­men müssen. Das System ist auto­ma­tisch auf ihrer Seite, egal welche Poli­tik gerade gemacht wird. 

Ich deute es als ein Zeichen dafür, dass die Super­rei­chen begin­nen zu erken­nen, was der weite­re Verlauf der Wirt­schafts­kri­se für sie selbst bedeu­ten könnte. Gewalt kommt mit ins Spiel. Gewalt und zuneh­men­der Hass auf die Profi­teu­re dieses als zutiefst unge­recht wahr­ge­nom­me­nen Systems. Die Gefahr für Leib und Leben gesellt sich zu den Gefah­ren eines Vermö­gens­ver­lusts durch die weite­re Krisen­ent­wick­lung. Es gilt also erst­mals, eigene popu­lis­ti­sche Maßnah­men zu ergrei­fen, die zeigen, wie gut, mensch­lich und mitfüh­lend in Wahr­heit die Super­rei­chen sind. Die Super­rei­chen schei­nen sich aktiv, mit offe­nem Visier, in die Poli­tik einbrin­gen und ihr Image aufpo­lie­ren zu wollen.  In den USA hat – anders als hier­zu­lan­de – die Phil­an­tro­pie  schon immer einen hohen Stel­len­wert und wird auch immer schon bewusst kommu­ni­ka­tiv einge­setzt, um die Nähe der Super­rei­chen zu ihren ärme­ren Lands­leu­ten auch in Form wohl­tä­ti­gen Verhal­tens zu demons­trie­ren. Kriti­ker behaup­ten, diese Art der Wohl­tä­tig­keit gesche­he nur in seltens­ten Fällen ohne Ziele, die wieder­um der Siche­rung des eige­nen Reich­tums dienen. Fakt ist, dass trotz aller Phil­an­tro­pie auch nach Abzug der vermeint­li­chen Wohl­tä­tig­keit unter den 20 reichs­ten Menschen der Welt acht US-Bürger sind. 

System­wech­sel unerwünscht

Ich vermis­se bei diesem Beitrag in der New York Times aber etwas ganz entschei­den­des. Warren Buffet geht selbst auf die immensen “leis­tungs­lo­sen” Einkom­men seiner super­rei­chen Kolle­gen ein und setzt sie in Bezie­hung zu den Leis­tun­gen aus Arbeit nicht nur seiner eige­nen Mitar­bei­ter,  sondern auch all der ande­ren Menschen, die auf Jobs ange­wie­sen sind. Und dennoch: In keiner Silbe hinter­fragt er diese para­do­xe Welt, in der die einen quasi auto­ma­tisch auf Kosten der ande­ren reich und super­reich werden. Und obwohl er höhere Steu­ern für sich selbst fordert, tut er das mit einer Verblen­dung der Wahr­heit, selbst seiner eige­nen im Hinblick auf sein wahres Einkom­men. (siehe Tabel­le oben)

Ein armse­li­ger Versuch, der nichts gutes bedeu­tet, weil keiner­lei Einsicht zu spüren ist. Einsicht, dass wir ein völlig  ande­res System brau­chen. Eines, bei dem man nicht mehr leis­tungs­los super­reich werden kann, nur weil man schon reich ist.

Fazit: Die Super­rei­chen wollen die Poli­tik darin unter­stüt­zen, den unwei­ger­li­chen Zusam­men­bruch des Systems so lange wie möglich hinaus­zu­zö­gern. Die Poli­ti­ker tun das, in dem sie immer mehr Lasten von zahlungs­un­fä­hi­gen Schuld­nern (Banken und ganze Länder) auf die Steu­er­zah­ler – vor allem die zukünf­ti­gen – über­tra­gen. Die Super­rei­chen, indem sie sich ein klein wenig mehr von dem wegsteu­ern lassen wollen, das sie ohne­hin einneh­men, ohne je dafür etwas zu leisten.

Die “Liber­Ty­ta­nic” des 21. Jahr­hun­derts steu­ert weiter unter Voll­dampf auf den inter­na­tio­na­len Kapi­tal­sys­tem-Eisberg zu. Und solan­ge die Musik noch spielt, werden alle weiter­tan­zen, auch dann noch, wenn die ersten schon “ertrun­ken” sind.

 

4 Antworten

  1. Pecat Uwe sagt:

    Ein zutiefst unge­rech­tes System lässt sich auch mit dem dümm­li­chen Neid Argu­ment nicht mehr retten. Jedes mal das glei­che, die leis­tungs­lo­sen Einkom­men stei­gen ins uner­mess­li­che, ganze Volks­wirt­schaf­ten werden gnaden­los zerstört, Menschen verhun­gern Welt­weit und jeder der das auch nur in Frage stellt oder gar verän­dern will ist neidisch. Auf was? Gesund­heit ist nicht käuf­lich, Glück auch nicht, Leben erst recht nicht.
    Es geht also nicht darum wenn einer aus eige­nem Antrieb reich ist sondern was daraus entsteht, welche Konse­quen­zen es für meine Mitmen­schen hat.

  2. Swaantje Janke sagt:

    Dieser Beitrag hat mir sehr gefal­len und aus der Seele gespro­chen. Ich glaube nur mit einem Gene­ral­streik, der auch die Refor­mie­rung der Poli­tik (völli­ge Loslö­sung vom Kapi­tal, also kein Sitz im Aufsichts­rat, kein Neben­job und keine Spen­den­gel­der mehr) beinhal­tet. Löhne unten müssen erhöht und die Einnah­men der Obri­gen verrin­gert werden, um die Kauf­kraft wieder zu beleben.
    Viel­leicht könnte das etwas ändern.

  3. Johannes Ross sagt:

    Es ist völlig falsch an den Anga­ben und an dem Vorschlag von Warren Buffet herum zu rechnen.
    Auch ich zahle in USA, trotz hohem Einkom­men, nicht den höchs­ten Satz von 35.6 % Einkommensteuer.
    Jeder der in Immo­bi­li­en inves­tiert hat wie jeder Geschäfts­mann a) Kosten und b) Abschrei­bun­gen auf seine Inves­ti­tio­nen. Das mindert die Steuer, aber dies ist kein Geschenk.
    Wird ein Geschäft oder eine Immo­bi­lie verkauft, dann wird die Abschrei­bung über all die Jahre wieder dem Kauf­preis hinzu­ge­fügt und muss versteu­ert werden.
    Der Fehler von Präs. Bush war nicht die Steu­ern zu senken, sondern sein Fehler war es einen Krieg zu begin­nen. Krieg führen und Steu­ern senken passt nicht zusam­men. Dies hat zu den hohen Schul­den geführt.
    Die deut­schen Neider soll­ten sich nicht über ihre Darstel­lung freuen.
    Das dicke Ende kommt in USA mit der Erbschafts­steu­er die früher 55 % war und Obama hat sie nach der Senkung durch Bush wieder auf 35 % gebracht.
    Eines gibt es in USA nicht. Eine Erbschafts­steu­er zwischen Eheleu­ten, die gibt es in keinem Staat mit Ausnah­me in Deutsch­land. Dies ist die brutals­te und gemeins­te Steuer, die eigent­lich nur ein kran­kes Hirn erfin­den kann. Zu dem Schmerz über den Verlust des Part­ners steht der Fiskus inner­halb von 3 Wochen mit dem Knüp­pel vor der Tür und will kassie­ren von dem, was sich ein Ehepaar über einen langen Zeit­raum erwor­ben und ange­spart hat.
    Das hat mit Huma­ner Wirt­schaft wirk­lich nichts zu tun. Das ist Neid Politik.

  4. Ein sehr guter Beitrag, Herr Bange­mann, vor allem deswe­gen, weil die wenigs­ten Menschen nach­rech­nen. Nur weil Sie sich die Mühe mach­ten, nach­zu­rech­nen, wird die Farce trans­pa­rent. Das Wochen­en­de war ich in den Bergen unter­wegs und die Meldung von Buffet hatte ich noch im Ohr und dachte mir, was die Aussa­ge wohl zu bedeu­ten hätte? Sie haben Licht in die Ange­le­gen­heit gebracht. Danke dafür! 

    Der Vergleich mit der Tita­nic beschreibt die Situa­ti­on tref­fend. Als ich Mitglied der INWO wurde, dachte ich noch es werde sich etwas verän­dern lassen. Doch diese Zuver­sicht ist gewi­chen. Wir werden wohl gegen den Eisberg donnern – und das in abseh­ba­rer Zeit, wir werden es also erle­ben. Schade, denn es gäbe Wege aus der Krise. 

    Am Wochen­en­de lernte ich drei junge Männer (Nepalesen)kennen. Einer studiert BWL und die beiden ande­ren Medi­zin. Wir hatten viel Spaß zusam­men und mit dem BWLer unter­hielt ich mich lange, denn wir hatten den glei­chen Abstieg. Leider musste ich auch hier fest­stel­len, dass die Hoch­schu­len ganze Arbeit leis­ten. So lange Volks­wirt­schaft und Betriebs­wirt­schaft gegen­läu­fi­ge Ziele haben, wird es defi­ni­tiv zu keiner huma­nen Wirt­schaft kommen können.

    Der junge Mann erkann­te zwar die Proble­ma­tik, sah aber keine Alter­na­ti­ve zu dem bestehen­den System. Er brach­te auch gute Beispie­le aus seiner Heimat, ich wies immer darauf hin, so lange neue Projek­te nicht nur der Bevöl­ke­rung dienen, sondern auch breite Schich­ten davon profi­tie­ren, wäre das schon in Ordnung. Es würde hier zu weit führen, diese Unter­hal­tung zu schildern. 

    Wir soll­ten unbe­dingt dazu beitra­gen, dass junge Ökono­men auf diese Proble­ma­tik aufmerk­sam werden. Lösun­gen aufzei­gen, die durch­aus als Expe­ri­ment weiter entwi­ckelt werden könn­ten, viell­e­licht sogar in einer Art Wettbewerb … 

    Mir geht das mit der INWO manch­mal alles zu sachte voran. Wenn man die Mails liest, die einem täglich errei­chen, hat man auch das Gefühl, die INWO ist vor allem mit sich selbst beschäf­tigt. Aller­dings spürte man dies­bezgl. die letz­ten Wochen eine kleine Verbesserung.

    Meines Erach­tens müsste man viel mehr in der Praxis mit jungen Leuten reden, mit ange­hen­den Ökono­men disku­tie­ren, Farbe beken­nen, in der Öffent­lich­keit provo­kan­ter auftre­ten, heraus­for­dernd agieren. 

    Ich glaube nicht, dass der Weg über Stände am Markt­platz führt. Aufge­klärt sind mitt­ler­wei­le viele Menschen! Man besu­che nur mal die Wirt­schafts­ab­tei­lung einer Buch­hand­lung, system­kri­ti­sche Bücher haben Hoch­kon­junk­tur. Die Poli­tik und die Wirt­schaft hat jegli­chen Rück­halt in der Bevöl­ke­rung verlo­ren, dennoch passiert nichts. Das ist aber auch eine Frage der Alter­na­ti­ven. Die Menschen sind ohnmäch­tig, müssen taten­los zuse­hen, wie wir gegen den Eisberg donnern. 

    Das ist keine Frage von Aufklä­rung, sondern irgend jemand muss das Zepter in die Hand nehmen und hörbar auf dem Boden schla­gen. Ich höre mehr von Andre­as Popp und seiner Wissens­ma­nu­fak­tur als von der INWO, wie ist das nur möglich? Ein Einmann­be­trieb ist quir­li­ger als die gesam­te INWO. Schade!

    So, nun haben wir den Schla­mas­sel, ich wollte nur kurz auf Ihren Arti­kel von Buffet antwor­ten – und nun das. Ihnen einen schö­nen Tag, Herr Bangemann.

    Herz­li­chen Gruß aus München

    Ihr
    Franz Fischer

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